IRMGARD MERKENS
stellt ihre künstlerische Arbeit der letzten zehn Jahre für die Besucher dieser Website an Hand ausgewählter Werkgruppen vor. Ihr Werk ist weitaus umfangreicher. Es ist über drei Jahrzehnte kontinuierlich gewachsen. Die hier getroffene Auswahl ist von bildprogrammatischer wie inhaltlicher Bedeutung.
Beim Anschauen ihrer Bilder wird deutlich, dass die menschliche Figur das Zentrum ihrer künstlerischen Arbeit bildet. Ihr Interesse gilt aber auch Blumenstillleben und Gartenlandschaften. Die Malerin beobachtet Menschen genau, entdeckt und zeigt sie in unterschiedlichen Situationen, erfasst sie beim Fotografieren, sinnend beim Museumsbesuch, wartend oder gedankenverloren an Orte eigener Sehnsüchte wie z.B. die Idylle einer Gartenwelt. Die Menschen sitzen, stehen, sind in Bewegung, gehen, laufen oder tanzen. Manchmal verweisen allein Gegenstände wie ein unbesetzter Liegestuhl auf ihre Existenz.
Teilweise sind die Körper nur skizzenhaft angerissen oder schemenhaft gezeigt. Sie sind frontal oder von der Seite zu sehen, wirken mitunter räumlich eingezwängt, manchmal auch dem Betrachter abgewandt. Sie stehen dicht beieinander, beziehungslos, distanziert, anonym bleibend. Die Pose mit der Fotokamera, die Aktion mit dem Hund, der interessiert-kundige Blick auf das museale Objekt, selbst der gekonnt schwungvolle Körpereinsatz beim Tanz sind wie Werbungen um die Wahrnehmung der Dargestellten.
Es geht nicht um den Ausdruck von Individuellem oder Wesenhaftem. Wichtig ist der Künstlerin das Erfassen von etwas Allgemeinem und Zeittypischen. Das geschieht über die Beobachtung von Körpersprache. Dass dem Betrachter zuweilen dabei groteske Stereotype im Bild begegnen, entspricht der künstlerischen Absicht. Unverkennbar, wenn auch verhalten, sind mitunter eine leise Melancholie wie feine Ironie bei der malerischen und kompositorischen Umsetzung mit im Bunde. Wie anders wären sonst die Menschen der Serie "Fototouristen" zu verstehen, die sich zum Einfangen eines beliebten Motivs schnell gruppieren, um dann mit gleicher Absicht eilig zum nächsten Ort zu ziehen. Fragt sich, was die Dargestellten wirklich mitnehmen? Sie bewegen sich nach vorgegebenen Mustern, scheren nicht aus, machen keine Probleme. Sie konsumieren – in diesem Fall Bildmotive. Es ist eine vertraute, allgemein verbreitete Situation. Wie absurd derartiges Tun im Gegenwärtigen dennoch ist, bleibt dem Nachdenkenden überlassen.
Irmgard Merkens schafft insgesamt ruhige Bildkompositionen. Selbst die Darstellung von Bewegung und Dynamik hinterlässt den Eindruck von Maß und Beherrschung. Sie ist Ergebnis konsequenter Klarheit im Bildaufbau sowie vertikaler und horizontaler Grundstrukturen in der Linienführung. Diagonalen werden in diesem Gefüge verankernd gehalten.
Linie entsteht bei ihr durch Farbe. Malerisch begrenzt und entgrenzt sie Raum. Farbe ist für die Malerin das profunde künstlerische Mittel, um ihrem Anliegen Ausdruck zu verleihen. Sie weiß um die Kraft der Farben, verwendet Rot, Blau, Gelb ungebrochen wie auch in den verschiedensten Mischungen, die sie wirkungsvoll einsetzt. Mehrere Farbschichten werden übereinandergelegt. So erscheint die Farbhaut manchmal transparent dann wieder verdichtet. An einzelnen Stellen wird gekratzt, wodurch darunter liegende Farbschichten hervorscheinen. Die so gewonnene ebenso sublime wie brüchige Oberflächenstruktur wirkt in sich zerrissen, aufgewühlt und unruhig – symptomatisch für eine Spannung, die sich im Habitus streng gebauter Körper dann konkret vergegenständlicht.
Mit raumgliedernden Farbflächen erweitert sie das Bild ins Dreidimensionale. In komplementären Tönen oder in fein nuancierten Farbabstufungen angelegte Farbfelder von Rot, Blau, Pink, Blau-Violett werden wie Versatzstücke schiebewandartig in das Bild eingefügt. In den so definierten, sich teilweise überlappenden, kulissenartigen Bildräumen erscheinen dann die verschiedenen Akteure: Fototouristen in urbanen Szenerien und Fotografen, Museumsbesucher, Menschen mit Tieren und Kindern, Tanzende, Eilende, Nachdenkliche. Sie alle wirken mit als Teil in einem selbstgewählten illusionistischen Spiel. Egal, was sie tun: der Eindruck existenzieller Unbehaustheit, innerer Leere, Einsamkeit wie dem Wunsch nach Beachtung überzieht die Darstellungen unabhängig vom Bildsujet als absurd-verfremdete Spannung zwischen der sinnlichen Visualität der Farbe und einer zum Narrativen tendierenden Auffassung in der Anlage der Figuren.
© Dr. phil. Gerlinde Förster
Kunstwissenschaftlerin